Leinen los!

Leinen los!

Endlich geht es los! … Also fast. Nur fast? Ja was denn nun?

Am 22.06.19 haben wir im Hamburger City-Sporthafen unseren Abschied gefeiert. Danke an alle, die da waren und auch danke an all die schönen Worte und Wünsche derjenigen, die leider nicht da sein konnten.

Es war wirklich ein toller Tag!

Und auch danke an alle, die mitgeholfen haben, dass nicht so einiges aus dem Ruder gelaufen ist. Sonst wäre schon früh keine Gerstenkaltschale mehr da gewesen. An dieser Stelle auch nochmal unser ausdrückliches Dankeschön an die Rib-Piraten im Sporthafen, denn die haben für uns unsere Getränke gekühlt. Danke Jungs, das war wirklich großartig!

Wer also mal Speedboat auf der Elbe fahren möchte: Die Jungs sind schwer in Ordnung ;-)

Nach einem chilligen Sonntag haben wir dann am Montag, den 24.06.19 morgens klar Schiff gemacht, haben nebenan kurz getankt und dann gings los! Aus dem Hafen auf der Elbe Richtung Nordsee folgend sind wir mit der Tide gegen 2-3 Bft Wind unter Maschine gelaufen.

Tschüss Hamburg
Tschüss Hamburg!

Dort haben wir dann ein paar Meilen vor Brunsbüttel eine erste unfreiwillige Ding-Über-Bord-Übung gefahren: In einer Bö hat es mir meinen geliebten neuen Sonnenhut vom Kopf in die Elbe geweht. Todesmutig hat Danny mir das gute Stück dann von der Badeplattform aus mit dem Fuß aus dem Wasser gefischt, nachdem ich die Gentoo zu ihm hin bugsiert hatte. Meine Heldin des Tages ;-)

Sonnenhut
Nass, aber wieder an Bord. Danke Danny!

In Brunsbüttel sind wir dann in den NOK abgebogen. Unser erstes Ziel: Lübeck!

“Aber da kamt ihr doch gerade her?” Werden sich einige fragen. Zu Recht!

Eine kleine Rückblende:

Die vergangenen Wochen waren ziemlich turbulent. Zuerst musste unser Einzug in die Gentoo und eben auch unser Auszug aus unserer Wohnung organisiert werden. Wenn man dabei gleichzeitig noch nen stressigen Job hat, ein Schiff fertig bekommen und ein Kind betreuen muss, dann sind das ziemlich viele große Dinge, die wir parallel schaffen mussten und fast jeder Tag hätte besser 48h haben können.

Das war echt eine harte Zeit und es ging auch nicht alles aalglatt. Das erste Desaster war dann, dass wir am 15. Mai - dem Tag unseres Auszugs aus der Wohnung - noch gar nicht so wirklich mit Packen fertig waren. Wir hatten zwar zuvor mehr oder weniger Tag und Nacht alles dafür getan, aber am Ende hatte die Zeit doch nicht gereicht. Und so standen unsere lieben Mieter dann am 15. Mittags mit Sack und Pack in der Tür und mussten mit ansehen, wie wir ziemlich hektisch die restlichen Sachen in Kartons warfen und nach und nach aus der Wohnung bugsierten. Draussen ging alles in den Anhänger, den wir am Auto hatten. Aber schnell war klar, dass der gar nicht reicht. Oh Mann. Wo kam das ganze Zeug nur her? Und so haben wir dann unseren Tiefgaragenstellplatz auch noch vollgestellt. Zum Glück hatten wir den noch. Alles in allem eine recht unangenehme und peinliche Aktion, aber tief Nachts waren wir dann auch mal fertig für die Abfahrt in Richtung Bad Schwartau, wo die Gentoo auf der Werft stand. Und ohne unsere lieben Nachbarn, hätte auch das noch länger gedauert.

Leude, ohne euch hätten wir das nie geschafft. Danke!

Das nächste Problem war: Das Schiff stand noch an Land und glich innen noch eher einer Werkstatt, denn einem heimeligen Zuhause, welches auch nur annähernd bezugsfertig war. Aber zum Glück gibt es ja Christoph, der uns sein gigantisch großes, luxuriöses Wohnmobil zur Verfügung stellte. Was für ein Glück! Lieber Christoph, an dieser Stelle nochmal ein fettes Danke!

Und so sind wir also erstmal ins Wohnmobil direkt neben dem Schiff gezogen. Nicht, dass wir das alles an diesem einem 15. Mai geschafft hätten. Das wäre zu einfach gewesen. Stattdessen sind wir noch dreimal mit Hänger wieder nach Hamburg und zurück gefahren - Der Tiefgaragenstellplatz stand ja noch voll - um noch weitere Kisten und Möbel in unserem angemieteten Lager in Hamburg einzulagern, zu Stilbruch zu bringen oder auf dem Recyclinghof zu entsorgen. Alles in allem über ein Woche Umzug. Aber es war dann irgendwann geschafft. Ein Meilenstein.

Und irgendwie war das auch ein großer Moment. Denn dann merkt man, dass es jetzt so richtig ernst wird. Man verlässt die eigenen, sicheren vier Wände und zieht (auf Umwegen) auf ein Schiff. Es passiert wirklich.

Apropos Schiff, genau: Da war ja auch noch einiges zu tun, dass es überhaupt bewohnbar ist. Wie immer, wenn man an einer Yacht arbeitet, dauert alles länger als man es gedacht hätte. Das ist da so ein Grundgesetz. Und es wird auch alles teurer als man gedacht hat. Noch so ein Gesetz. Aber Hey! Geht schon irgendwie. Es waren schließlich noch vier Wochen, bis wir dann aufbrechen mussten, um rechtzeitig nach Hamburg zu unserer Verabschiedung im Hafen zu kommen.

Mathilda möchte an dieser Stelle sagen: “Danke liebe Omi, dass du uns ein paar mal besucht und mit mir so tolle Sachen unternommen hast, während Papa und Mama nur am Schiff rumrepariert haben!”.

Aber was dann auch noch alles zu tun war… Ein kleiner Auszug:

  • Die restlichen Solar-Paneele installieren
  • Die neue Lichtmaschine fertig installieren und testen
  • Die Heckankerwinde lag noch zerlegt im Lager und musste noch fertig gewartet, wieder zusammengesetzt und montiert werden
  • Einige Details an der neuen Elektrik und der Kommunikationselektronik waren noch nicht fertig installiert und hier und da hingen noch Kabel aus den Schränken etc. pp
  • Der Unterwasseranstrich war noch nicht fertig
  • Der neue Propeller musste noch montiert und beschichtet werden
  • Das neue zu Hause musste noch komplett eingeräumt werden. Was nehmen wir mit? Was nicht? Und vorher wollten wir wirklich einmal alles raus räumen, um beim Wiedereinräumen eine Stauliste anfertigen zu können.

Für sehr viele Arbeiten an Bord, vor allem für Elektrik und gute Ideen hatten wir Dieter von der Kaniva an Bord. Auf der Teerhofinsel kennen gelernt ist er inzwischen ein guter Freund und er ist nebenbei der beste Bootsbauer, den man sich nur wünschen kann. (Der beste Schiffbauer bin ja ich ;-)) Dank Dieter sind wirklich viele tolle Ideen an Bord Wirklichkeit geworden, sodass die Gentoo nun ein ganzes Stück besser und moderner da steht, was die Elektrik und die technische Ausstattung angeht.

Am Freitag, den 07. Juni war dann endlich Krantermin. Bis dahin haben sich alle Arbeiten auf die Fertigstellung des Unterwasserschiffs konzentriert. Mittags kam ein großer Auto-Kran, der die 17t schwere Gentoo ins Wasser hob. Der werfteigene Kran schafft leider nur maximal 15t.

Auf der Teerhofinsel in Lübeck wird die Gentoo in ihr Element gehoben

Nun waren es nur noch ca. 8 Tage, bis wir Richtung Hamburg aufbrechen mussten.

Das Kranen verlief reibungslos und der Kahn war sogar dicht ;-) Noch am selben Tag bin ich mit Dieter ein Stück die Trave runter gefahren, um die neue Lichtmaschine, den daran angeschlossenen neuen Hochleistungsladeregler und die dazugehörige neue Konstruktion der Riemenscheiben an der Maschine zu testen. Eine echte Probefahrt. Alles lief super!

Durch ein unglückliches Missgeschick blieb dabei jedoch leider zu lange unbemerkt, dass die Sicherung der Lichtmaschine in Richtung der Batteriebank noch nicht eingesteckt war. Dadurch ist das neue Prachtstück von Lichtmaschine, eine Balmar XT mit bis zu 180A(!) Leistung leider so schnell überhitzt, dass sich mindestens eine der Dioden verabschiedet hat. Es stank dabei auch ziemlich nach verbrannter Elektronik. So ein Mist. Und das wo wir doch bald los wollen! Balmar Lichtmaschinen werden über einen Reseller in Hamburg direkt aus den USA geliefert. Da schien es etwas utopisch, so schnell jetzt an einen Ersatz zu kommen. Dieter hat aber alle Hebel in Bewegung gesetzt und nach nur 4 Tagen war eine neue LiMa da! Wahnsinn! Drei Tage aus den USA bis Hamburg plus einen Tag bis Lübeck.

Die neue Balmar Lichtmaschine
In nur vier Tagen bestellt, aus den USA geliefert und eingebaut!

Und so wurde alles noch etwas hektischer, der Schlaf weniger und irgendwann auch die Einsicht größer: Wir müssen so einige Restarbeiten mit auf die Reise nehmen. Ein Schiff wird eh nie fertig. Also was solls.

Aber es war dann doch so viel und vor allem haben wir unseren Kram, der noch zu großen Teilen in einer Halle auf dem Werftgelände lag, gar nicht fertig sortiert und eingelagert bzw. ins Schiff geräumt bekommen, dass irgendwann klar war: Wir fahren eine schöne Probefahrt nach Hamburg, feiern da mit unseren liebsten unseren Abschied und fahren dann über die Teerhofinsel nach Helgoland hüstel.

Gesagt, getan.

Auf dem Weg nach Hamburg, auf dem Nick aus Hamburg mit an Bord war, ist dann auf recht unliebsame Weise aufgefallen, dass der Dieselverbrauch der Maschine viel zu hoch war. Wir hatten keinen Wind und mussten unter Maschine fahren. Und anstatt wie normalerweise zwischen 2 und 3 l/h verbrauchte der Flautenschieber plötzlich über 10l. Wie konnte das sein?

Das erste mal ist das Nachts aufgefallen, denn da haben wir die Maschine einfach mal trocken gefahren, da der Tagestank im Verhältnis in nullkommanix leer war. Natürlich mitten in der Nacht direkt vor dem Schießgebiet Todendorf. Nick hatte Ruderwache und ich war gerade eingeschlafen als um 2 alles ruhig wurde.

“Die Maschine ist aus!” rief Nick und Danny musste mich wecken, damit ich mir das ansehen konnte. Das sind die Momente, wo man nicht wirklich weiss, ob man gerade beginnt zu träumen oder gerade geweckt wird.

Schlaftrunken fing ich an mir anzusehn, was da los war. Erste Erkenntnis: Der Tagestank (Fassungsvermögen 60l) war ratzeputz leer. Um 22 Uhr hatte ich den doch noch kontrolliert, wie konnte der jetzt leer sein? Es war kein Diesel aus- oder daneben gelaufen und die Maschine hat auch nicht auffällig schwarz gequalmt, was einen sehr hohen Verbrauch hätte erahnen lassen können. Also was konnte noch die Ursache sein?

  • Konnte der neue Leinenschnibbler auf der Welle schuld sein, weil der Prop die Welle so sehr ins Drucklager drückte, sodass der Kunststoffring des Schnibblers dadurch fest auf das Stevenrohr gepresst wurde und der Diesel dadurch viel mehr arbeiten musste?
  • Oder ist der neue Prop so falsch eingestellt oder sonst irgendwie komisch, dass der Verbrauch so dermaßen angestiegen ist?
  • Kann die neue LiMa dauerhaft zu so viel mehr Verbrauch führen?
  • Oder ist die Einspritzpumpe irgendwie schuld?

In der Verzweiflung kommt man auf die wildesten Gedanken. Der eine mehr, der andere weniger, aber irgendwie schien das alles nicht sehr wahrscheinlich. Aber irgendeinen Grund musste es geben. Die Maschine lief ansonsten absolut ruhig, gleichmäßig und es gab keine komischen Geräusche oder sowas in der Art.

Ein Rätsel, dass es noch zu lösen galt. In der Nacht hab ich jedenfalls dann erstmal den Tagestank gefüllt und den Motor entlüftet um dann festzustellen, dass er trotzdem nicht anspringen wollte. Zuvor hatte ich noch Öl kontrolliert, weil ich eh grad im Motorraum war… im halbschlaf den Peilstab nicht richtig abgelesen, hektisch Öl nachgefüllt, weil es viel zu wenig schien, um dann festzustellen, dass nun viel zu viel Öl in der Maschine war. Beim Wiederabpumpen ist mir auch noch der Schlauch von der Pumpe geflutscht und ich hab mir das Öl schön über die Füße gepumpt. Ich stand natürlich barfuß im Motoraum. Das sind so Momente, da möchte man schreien ;-)

Aber gut. Mit öligen Füßen saß ich nun da und rätselte erstmal, warum der Flautenschieber nicht mehr ansprang. War jetzt noch die Einspritzpumpe irgendwie defekt oder verstellt? Immerhin hatten wir ja auch den Zahnriemen getauscht und die Einspritzpumpe danach nicht neu justiert.

“OK”, dachte ich mir. “Ich mache, was man heute so macht: Ich google mal!”. Aber leider waren wir so weit draussen, dass es garkeinen Mobilfunkempfang gab. AAAARG. Nick und Danny dösten, Mathilda schlief tief und fest und wir trieben immernoch manövrierunfähig direkt vor dem Schiessgebiet herum. Natürlich war dort dieser Tage irgendeine NATO-Übung, sodass das gesamte Gebiet für mehrere Tage komplett gesperrt, weil aktiv war.

Was tun?

Inzwischen war es 3:30 Uhr, es dämmerte und dann hab ich mal unsere neue Technik benutzt und Dieter per Kurzwellen-Funk über Pactor-Modem unser Problem per E-Mail geschildert (via SailMail) und ihm dann noch per Iridium-Satellitennetz eine SMS gesendet.

Danach hab ich mich hingesetzt und in Nigel Calders “Boatowners Mechanical and Electrical Manual” gelesen.

Zum Thema Entlüften schreibt Nigel, dass man beim Startversuch mehr oder weniger Vollgas geben soll. Ein Detail über das ich mir zwar Gedanken gemacht, es aber für unnötig oder sogar kontraproduktiv erachtet hatte. Wider erwarten brachte aber genau das den Erfolg: Der Diesel lief nach ein bis zwei weiteren Versuchen wieder!

Also merken: Solltet ihr mal zufällig Nachts bei Flaute irgendwo mitten auf der Ostsee mit trockengefahrenem Diesel liegen geblieben sein und er springt nicht mehr an: Probiert es mal mit Gas geben beim starten!

Im weiteren Verlauf gab es auf dem Weg nach Hamburg nochmal einen leeren Tagestank direkt hinter der Schleuse Holtenau im NOK (Nord-Ostsee-Kanal). Nick hatte blitzschnell mit der englischen Yacht in unmittelbarer Nähe Kontakt aufgenommen und sie gebeten, uns eben an den nächsten Steg zu ziehen. Glück gehabt! Diesmal hatte ich den Diesel dann auch schnell wieder am Start und dann endlich auch mal kapiert, dass der wirklich wirklich sehr viel Diesel verbraucht. Und dann gab es noch einen recht heftigen Squall mitten im NOK. Danny war gerade am Ruder als die Sicht plötzlich quasi weg war, es wie aus Kübeln goss und ein paar Orkanböen über uns fegten. Nach wenigen Minuten war der Spuk vorbei und wir nass.

Sqall im NOK
Null Sicht und Sturmböen, als uns ein Sqall überrollt

Nach Übernachtungen in Rendsburg und Brunsbüttel sind wir dann bis Hamburg durchgefahren und waren Mittwoch abends im City-Sporthafen. Geschafft!

Auf dem Weg nach Hamburg

So und nun sind wir also zurück in Lübeck. Und tun genau das, was wir geplant haben: Restarbeiten erledigen, Klamotten sortieren, ausmisten, einlagern und das Schiff einräumen.

Denn bald wollen wir uns zu unserem nächsten, echten ersten Ziel aufmachen: Helgoland!

Ach ja, des Rätsels Lösung, warum der Verbrauch so hoch war, war sehr wahrscheinlich ein Tampen in der Schraube. Also etwas, weswegen man normalerweise dann gar nicht mehr vom Fleck kommt. Unser neuer Leinenschnibbler (Ein quicKutter) soll uns genau davor schützen und hat das wohl auch noch in der Trave getan. Aber dabei ist noch ein Rest des Übeltäters übrig geblieben, der sich um die Propellernarbe gedreht hat und dann noch ein Stück nach achtern “auswehte”. Der Prop musste das Stück Seil also die ganze Zeit durchs Wasser schleudern.

Das hab ich in LaBoe beim Baden vom Propeller abgefummelt

Und so kann einen ein kleines Stück Tampen im Wasser mal eben fast 200l Diesel kosten. Kotz. Aber wir lernen draus ;-)

So, ihr Lieben, das wars erstmal wieder. Wir packen jetzt mal fertig und machen uns dann alsbald auf den Weg nach Helgoland. Folgt uns auf Twitter um kurzfristige Updates mitzubekommen. Ansonsten seht ihr ja auch im Tracker, wo wir uns gerade so rumtreiben.

Liebe Grüße
Eure “Gentoos”