Von Helgoland geht es nach Ramsgate. Aber kommen wir da auch an?
Sonntag, 04. August, Südhafen Helgoland
Am Abend legen wir ab. Neuer Kurs: Das britische Ramsgate. Auf direktem Kurs können wir dort nicht hinfahren, weil es auf der Nordsee sehr viele Verkehrstrennungsgebiete (VTG) gibt, die den enormen Schiffsverkehr regeln. Man kann sich das wie eine Autobahn vorstellen: Für jede Fahrtrichtung gibt es eine Fahrspur, dazwischen einen Bereich der frei bleibt, wie ein Grünstreifen. Das schränkt die möglichen Kurse, die man fahren kann bzw. darf sehr häufig enorm ein.
Die See ist schon ausserhalb von Helgoland unangenehm, was sich auch durch
spätere Seekrankheit bei Danny und Mathilda zeigt.
Der arme Skipper muss hauptsächlich alleine fahren, mit kurzen Versuchen ihn zu
entlasten. Die Fahrt ist insgesamt recht stressig, aber wir kommen voran.
Am Montag Nachmittag beginnt der Wind jedoch immer weiter auf West zu drehen
und so entwickelt sich unser Kurs gezwungenermaßen immer nördlicher. Wenden
wollen wir nicht, weil wir uns am nordlichen Rand eines VTG befinden.
Einem VTG muss man entweder folgen oder man darf es mit der Schiffsachse genau
im rechten Winkel queren. Dann darf man aber die sichere Durchfahrt der anderen
Schiffe nicht behindern. Das muss dort bei dem Wetter und in der Nacht nicht
unbedingt sein.
Und so fahren wir erst einmal weiter auf diesem Kurs in die Nacht hinein.
Es ist schon ziemlich gruselig, wenn man in einer mondlosen, stockfinsteren
Nacht allein im Cockpit sitzt und zwischen den ganzen Ölbohrplattformen, großen
Schiffen und Fischerbooten so durchgeschaukelt wird, dass man teilweise nicht
mehr weiß, wo oben und unten ist.
Der Wind dreht immer weiter. Gegen 21 Uhr haben wir das erste große VTG passiert und hier tut sich nun eine Alternative auf: Wenn uns das Wetter nicht weiter nach Westen lassen will, können wir auch die Niederlande ansteuern. Wir nutzen die Gelegenheit und entscheiden uns auf halbem Weg, Ramsgate zu verschieben und nach Den Helder abzubiegen. Und Wind und Welle gegenan macht hier wirklich keinen Spaß.
Damit ist es aber nicht getan. Das fiese Spiel mit viel zu viel Wind aus der falschen Richtung und einer Welle zum abgewöhnen findet dann direkt vor Texel seinen vorläufigen Höhepunkt, als Marc echt große Mühe hat, so zu navigieren, dass wir nicht auf Texel stranden.
Denn nun arbeiten Wind, Welle und jetzt auch noch ein starker Tidenstrom mit
vereinten Kräften daran, uns immer näher an die Küste zu drücken, was uns quasi
rückwärts fahren lässt. Der gesteuerte Kurs verläuft fast in
entgegengesetzter Richtung.
Von der Alternative abgesehen, wieder genau dorthin zurück zu fahren wo wir
herkommen, ist es fast unmöglich, wieder von der Küste wegzukommen. Das gelingt
dann schließlich nur unter größten Mühen und mit Hilfe der Maschine mit nahezu
Vollgas direkt gegenan. Abenteuerlich. Der Schlafentzug, der sich inzwischen
breit macht, erschwert das Ganze noch.
Warum es dort wohl so viele Wracks gibt? (“Wk” auf der Seekarte)
Wir kommen jedenfalls nach einigen Turbulenzen und 223 erkämpften Seemeilen am 07. August um 9 Uhr morgens an und der Skipper fällt erstmal in die Koje, kann dennoch nicht schlafen und so belohnen wir uns dann erstmal mal lecker Frikandeln&Co.
Was macht das Motorproblem? Taucht einmal wieder auf!
Und zwar nachdem Marc unseren Tagestank während der Fahrt wieder aufgefüllt
hat. Dazu schaltet man eine Förderpumpe ein, welche Diesel aus dem großen
Dieseltank im Kiel in unseren Tagestank auf Höhe der Maschine pumpt. Danach geht
der Verbrauch auf ca. 10l/h hoch.
Da wir dies rechtzeitig bemerken, geht es diesmal ohne Ausfall der Maschine:
Nachdem Marc die Maschine einmal aus gemacht und neu gestartet hat,
normalisiert sich der Verbrauch wieder. Das stützt immerhin unsere Theorie, was
das Problem sein könnte… doch dazu später mehr ;-)